Rektusdiastase- „Schliesse die Lücke- oder doch nicht?!“

„Schließe den Spalt und dein Bauch wird flach“

Es ist eine Kehrtwende in dieser Thematik. In fast jedem gynäkologischen Buch, auf fast jeder gynäkologischen Fortbildung wird es immer noch so gelehrt und auch ich habe es auf meinen YouTube Videos so weiter gegeben (wobei die Kernaussage bei den Videos stimmt und die Videos durchaus nach wie vor einen großen Lehrwert haben 😉 )

„Schließe den Spalt und dein Bauch wird flach“

Die hochgelobte kanadische Beckenbodentherapeutin und Physiotherapeutin „Diane Lee“ hat gemeinsam mit „Paul Hodges“ eine neue Ära angeläutet. Sie haben anhand von Ultraschallmessungen eine wertvolle Studie erstellt, die die bisherigen Ansätze der Behandlung einer Rektusdiastase auf den Kopf stellen.

Kernaussage der neuen Studie ist:

Es ist nicht die Distanz der beiden Rektusbäuche (gerade Bauchmuskeln) die interessant ist, sondern eher der Zustand bzw. die Beschaffenheit der Mittellinie.

Demnach ist es relativ zwecklos und anatomisch nicht logisch, nur die „Lücke“ zu schließen. Passive Maßnahmen wie etwa ein Gurt, behandeln ausschließlich die Symptome der gespaltenen Rektusbäuche (Muskulatur), nicht aber die Ursache.

Es macht viel mehr Sinn bei der Ursache anzusetzen. Also warum die Diastase entstanden ist und vorallem warum sie weiterhin besteht, als die Spalte mit passiven Maßnahmen anzunähern.

Betrachtet man zB Bilder von Bodybuildern sieht man bei eigentlich fast allen eine eindeutige Rektusdiastase. Doch was man auch sieht, ist eine stabile Linea Alba –  der Bauch bildet keine instabile Kuhle und genau darum geht es jetzt.

Das wirkliche Problem der „Rektusdiastase“ ist nämlich eine weiche, spannungslose Faszie/Bindegewebsplatte (Linea alba). Die Bindegewebsplatte, die unterhalb bzw zwischen den beiden Rektusbäuchen liegt. Die Faszie, die von allen restlichen Bauchmuskeln gebildet wird (den queren und den schrägen Bauchmuskeln) und zusammen mit dem Beckenboden und den unteren Rückenmuskeln den wichtigen Körperkern bildet.

Und dieser labile und weiche Zustand entsteht, wenn das Bauchkapselsystem persistierend einen erhöhter Bauchdruck nicht abfangen kann, weil das System nicht mehr miteinander arbeitet. Das heisst bei einem aufkommender Bauchinnendruck werden jedesmal die Bauchorgane rausgedrückt (hier ploppt die Rektusdiastase und der Nabel raus), runter (direkt auf den Beckenboden) und manchmal sogar nach oben (wo dann schnell der Oberkörper negativ involviert ist).

Ein nicht funktionierendes Bauchkapselsystem kann durch Rippen, die in einer falschen Position liegen entstehen (schlechte Haltung, ungleichmäßige Belastung im Alltag, durch die Schwangerschaft,…), weil das Becken leicht verdreht und/oder blockiert ist, oder vielleicht auch nur, weil die umliegende Muskulatur in einem falschen Gleichgewicht ist. Unterstützend und sicherlich nicht fördernd sind in diesem Fall falsche Sportarten und Fitnessübungen (Crunches, Tennis, Trampolinspringen, Seilspringen, Joggen, und sogar auch Planks…), die den spannungslosen Körperkern noch mehr schwächen.  Übrigens: 66% der Frauen mit einer Rektusdiastase haben eine bestehende Beckenbodenschwäche (Spitznagel 2007).

Wer also einen flachen Bauch nach der Schwangerschaft haben möchte, wer die „Rektusdiastase“ behandeln will, sollte den Körper als Ganzes betrachten. Also das ganze System verstehen und dort ansetzen.

Oft sind Operationen nämlich gar nicht notwendig, wenn man versteht, wie eine Diastase zu behandeln ist.

Der erst Schritt: Den Körper in die richtige Körperhaltung (Alignment)  einstellen und damit das Bauchkapselsystem straffen. Der Körper braucht eine harmonische Ausrichtung aller vorhandenen Systeme und das sollte das erste und vordergründige Ziel sein.

Der zweite Schritt: Eine natürliche Verbindung zwischen Gehirn und (Körperkern)Muskulatur herstellen. Zuerst mit isolierten Muskelkontraktionen des Körperkerns („Den Bauchnabel sanft nach innen zur Wirbelsäule ziehen, das Schambein zum Bauchnabel führen und gleichzeitig den Beckenboden schnüren, und Dammbereich zum Bauchnabel ziehen“), dann mit fortschreitender Behandlung in Alltagsbewegungen integrieren.

Ziel ist es, dass der Körper automatisch bei Druckerhöhung richtig reagiert.

Der dritte Schritt: Wer immer gekrümmt durch das Leben geht, kann keine starken Rückenmuskeln haben, der kann keine harmonische vordere Muskelkette haben und demnach auch keine gutfunktionierende Zwerchfell-Beckenboden Synergie.

Das heisst, verkürzte Muskulatur (übrigens: oft die hinteren Beinmuskulatur) muss gedehnt werden, damit sich der Körper auch richtig einstellen kann, um in die erforderliche harmonische Ausrichtung zu kommen.

Der vierte Schritt: Den Körper richtig ernähren, damit er geheilt und regenerieren kann. Übergewicht kann nämlich auch Grund einer Rektusdiastase sein!!

Abschließend ist zu sagen: es ist nicht die Lücke zwischen den Muskelbäuchen, die das Problem ist. Es darf sogar eine Lücke vorhanden sein, sofern sich der Brustkorb, der Rumpf und das Becken in einem biomechanischem Gleichgewicht befinden und sich die Körperkernmuskulatur adäquat aktivieren und entspannen kann. Wer also das System verstanden hat und es schafft, dass der Körper im „Alignment“ ist, darf auch Planks Crossfit, Zumba und CO machen- denn dann ist der Körper im Gleichgewicht (ACHTUNG: schräge Crunches sind nach wie vor durch die  Anatomie eher „Lücken vergrössernd“ und nie zu empfehlen).

Doch Frauen nach der Geburt erlangen diesen Zustand oft erst Jahre nach der Geburt, manchmal sogar nie, da sie nicht dahin gehend geschult sind. Deswegen sind Übungen post partum, die den Bauchinnendruck massiv steigern nur mit starker Vorsicht zu genießen.

Quellen: Diane Lee- www.dianelee.ca, Mutusystem, Tanzberger Konzept
Bilder: www.nataliehodson.com, www.jackedfactory.com

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