Sport nach der Geburt als Neujahrsvorsatz?
Das neue Jahr hat begonnen und viele von euch werden sich als Vorsatz genommen haben, mehr Sport zu treiben und abzunehmen. Nicht wahr?
Aber was ist denn jetzt der „richtige Sport“ für eine Mama. Darf man zur jeder Zeit nach der Geburt Sport machen, oder sollte man lieber warten?

Darf man jeden Sport ausführen, oder gibt es Sportarten, die eher nicht so empfehlenswert sind?
Vorne weg: Folgender Text ist eine Pauschalempfehlung. Sinnvoll ist es, wie immer im therapeutischen Bereich, einen umfangreichen internen, wie externen Befund von einem Fachpersonal machen zu lassen, um den Zustand des Körpers herauszufinden. Der Beitrag dient zur groben Orientierung.
Nun betrachten wir mal die Fakten, aus der Frauengesundheitsperspektive.
In erster Linie sollte man mal festlegen, was das Ziel des Trainings sein soll.
Willst du Sport machen, weil du abnehmen willst? Dann solltest du in erster Linie deine Essgewohnheiten überdenken und salopp gesagt weniger Kalorien zu dir nehmen, als du verbrauchst. Aber ACHTUNG: Während der Stillzeit sollte die tägliche Kalorienzufuhr 1800kcal nicht unterschreiten, zudem sollte die Abnahme nicht mehr als 2kg pro Monat betragen. Beachte außerdem, dass die Frau für die Stillzeit Fettdepots angelegt hat. Meist verschwinden diese Fetteinlagerungen erst nach dem Stillen und das, obwohl die Produktion der Muttermilch jede Menge Energie erfordert und den Energieverbrauch auf etwa 600kcal erhöht. Sehe sie als kostbares Gut, dass du für diese so kräftezerrende Zeit brauchst.
Viele Frauen orientieren sich im Zeitalter von Social Media an Promis, sowie neumodischen Influenzer und glauben, dass sie direkt nach der Geburt mit einem straffen Trainingsprogramm unliebsame Kilos verlieren. Tatsächlich braucht der Körper aber zunächst Ruhe, um sich von der Strapazen und Verletzungen der Geburt zu erholen. Mindestens 8 Wochen dauert das Wochenbett. Jegliche Sportprogramme sind zu dem Zeitpunkt zu früh, da oft nicht einmal die Gebärmutter die ursprüngliche Größe von 60g erreicht hat und die Mutterbänder noch stark überdehnt sind. Leider gibt es in der Frauengesundheitsbranche genug Anbieter, die dies ignorieren und viel zu früh postpartum Fitnesskurse anbieten. Die unter Druck gesetzte und getriebene Frau nimmt diese Angebote zu gerne an, im Unwissen dass nicht alles Gold ist, was glänzt.
Ab 4 Wochen nach der Geburt bis etwa 12 Wochen ist es ratsam dem Körperkern bei seiner Rückbildung zu helfen (danach geht es natürlich auch noch- zu spät ist es nie). Das sind sanfte Übungen, die die Körpermitte (allen voran die tiefe Bauchmuskelschicht und den Beckenboden) vorsichtig straffen. Du findest viele Übungen in meiner Rückfindungsfibel.
Ab 12 Wochen nach der Geburt, also etwa 3 Monate, ist in den meisten Fällen die Rückbildungsygymnastik abgeschlossen und die Frau hat gelernt, den Körperkern bei Druckerhöhung zu stabilisieren. Achtung: Das bedeutet nicht, dass der Beckenboden zu dem Zeitpunkt wieder vollständig rehabilitiert und stabil ist und die Bauchmuskeln wieder ihre ursprüngliche Länge erreicht haben. Das dauert laut neuen Studien über ein Jahr und erfordert konsequentes Üben.

Ab etwa 3-4 Monaten sind also Sportarten erlaubt, die den Körper sanft formen und Low Impact Kardioeinheiten, die den Bauchinnendruck nicht übermäßig erhöhen. Das sind zum Beispiel Fitnessübungen ohne Gewicht (Crunches, Klappmesser u.ä. ausgeklammert) und Kardiotraining, wie sanfte Aerobic Schritte, ohne Bounce- Momente oder zügiges Spazierengehen mit bewussten Abrollen des Fußes (Anmerkung: reflektorisches Beckenbodentraining), Schwimmen, Radfahren, Inlinescaten (…) Wichtig hierbei ist, dass der Körper in seiner Längsachse korrekt eingestellt ist, damit der Körperkern spontan auch mit Spannung reagieren kann.
Jetzt ist es auch vollkommen in Ordnung, wenn du Mama- Fitnesskurse besuchst, sofern die Kursleiterin adäquat weitergebildet ist und nicht anfängt mit der Gruppe High Impact Sportarten durchzuführen. Also jene, die den Bauchinnendruck massiv erhöhen (Sprünge, Joggen, Crunches, …)
Achte auch unbedingt darauf, dass in den Kursen nicht mehr als 10 Teilnehmer zugelassen sind, da sonst in keinem Fall auf das Einzelschicksal eingegangen werden kann und die Qualität deutlich büsst.
Frühestens sechs Monate nach der Geburt, dann wenn der hohe Relaxinlevel der Schwangerschaft wieder absinkt, kann man probieren den Körper mehr zu fordern. Idealerweise hat man ihn zu dem Zeitpunkt die Gelenke muskulär schon so stabilisiert, dass er die hohen Anforderungen abfedern kann. Sinn macht es erst kurze Laufstrecken zu planen und dann auf den Körper zu hören. Übermäßige Müdigkeit nach der Sporteinheit, unfreiwilliger Harnabgang, Senkungsbeschwerden, Druckgefühl nach unten, Schmerzen in der Beckenregion und unteren Rücken, unförmiger Bauch während dem Sport (Stichwort: Rektusdiastase) sind alles Symptome, die signalisieren, dass der Körper nicht bereit für HighImpact Sportarten ist.

Mannschaftssportarten sind aufgrund unkontrollierten, schnellen Bewegungsabfolgen unter einem Jahr nicht empfehlenswert. Reiten ist wegen der Beinarbeit und dem reflektorischen Aktivieren des Beckenbodens durchaus früher ok, dennoch sollte hier behutsam begonnen werden. Die überdehnten Gebärmutterbänder (die noch viele Monate überdehnt sind) lassen die Gebärmutter bei jeder Sprungbewegung, wie sie beim Trab und Galopp stattfindet, unkontrolliert auf- und abfedern. Nicht selten entstehen gerade deswegen Senkungen.
Jeder Körper bildet sich in einem anderen Rhythmus zurück. Bei manchen Frauen schneller, bei manchen langsamer. Abhängig von einer Vielzahl an Faktoren. (Genetik, Körperbau, Alltagsgewohnheiten, …)
Stillen hat auf die Rückbildung einen großen Einfluss, da es das Relexinlevel hoch hält. Relaxin macht unsere bindegewebigen Strukturen weicher und dehnbarer. Das ist bei der Geburt ideal, aber es macht den Körper angreifbarer und instabiler.
Abschließend sei gesagt:
Wer unbedingt früher Sport ausführen möchte, sollte die überdehnten Mutterbänder nicht vergessen und idealerweise einen extra ausgebildeten Therapeuten aufsuchen, der verschieden Parameter testet.
- Den Beckenboden nach Stärke und Ausdauer
- Die Bauchdecke, um eine Rektusdiastase auszuschliessen
- Muskeltest der großen Muskeln, für eine ideale Gelenkstabilisation
Persönliche Erfahrung:
Ich habe drei Kinder geboren. Davon eines mit einem Kaiserschnitt und zwei vaginal. Die letzte Geburt ist 14 Monate her. Ich stille meine Tochter noch viel.
Unser großer Sohn muss für die Aufnahmeprüfung der weiterführenden Schule einen acht minütigen Lauftest absolvieren und wir nutzen die freien Tage gerade, mit ihm zu üben. Ich traue dies meinem Körperkern noch nicht zu.
Was ich damit sagen will?
Seid ehrlich zu eurem Körper. Jede Belastung die zu früh ausgeübt wird, wird sich irgendwann büßen.
„Bevor die Körperhülle gefordert wird, muss der Körperkern stabil sein!“